Frösche und Kaulquappen

Nehmen wir an, eine Froschmutter würde zu ihren kleinen Kaulquappen im Teich sagen: „Kommt heraus aus dem Wasser, atmet die frische Luft ein und vergnügt euch im grünen Gras, dann werdet ihr zu starken, gesunden kleinen Fröschen.“ Falls die Kaulquappen den Rat befolgen würden, dann würde es mit Sicherheit ihr Ende bedeuten. Maria Montessori begann mit dieser Metapher ehemals einen Vortrag über das Vertrauen von Eltern gegenüber ihren Kindern.

Die Kaulquappen müssen sich selbst entwickeln und ihre eigenen Erfahrungen machen, um zu großen Fröschen heranzuwachsen und den Teich eigenständig zu verlassen. Sie wissen daher instinktiv am Besten was für sie gut ist. Unsere Kinder sollten ebenso ihre eigenen Entwicklungen machen. In welchem Tempo und mit welcher Intensität ist dabei unerheblich.

Situationen im Alltag

Die Liebe eines Vaters oder einer Mutter gegenüber seinem Kind sorgt dafür, dass wir unsere Kinder vor sämtlichen Gefahren im Leben schützen möchten. Es ist auch absolut natürlich. Mir kommt es in den vergangenen Jahren nur so vor, dass die Eltern ihre Kinder im Grunde vor allem schützen und die Welt am Besten mit Schaumstoff auslegen möchten, damit sich das Kind nicht irgendwo verletzt. Erstens ist die Umsetzung dieser Vorsichtsmaßnahme unrealistisch und zweitens kann Schaumstoff auch eine Gefahr sein, wenn das Kind diesen beispielsweise isst.

Ich will damit sagen, wir Eltern sollten uns von dem Credo verabschieden, dass wir unsere Kinder nicht vor allem schützen können. Denn wir können nicht 24 Stunden am Tag für das Kind anwesend sein. Wir sollten den Kindern das Vertrauen schenken, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Natürlich kann dies auch manchmal wehtun. Aber jeder Mensch machte zum Beispiel beim Lernen von Fahrradfahren die Erfahrung, dass ein Umfallen schmerzhaft sein kann. Die Neugierde und Freude den Fahrtwind auf dem Fahrrad zu spüren hat uns jedoch immer wieder ermutigt, erneut auf das Fahrrad zu steigen und los zu radeln. Und siehe da, mit der Zeit wurde man sicherer und das Fahrradfahren ist zur Routine geworden.

Vertrauen zu schenken beginnt allerdings schon im Säuglingsalter. Die meisten Babys müssen erst lernen die zahlreichen Reize in ihrer Umgebung aufzunehmen und zu verarbeiten. Das Einschlafen fällt den Kindern daher oftmals sehr schwer und sie schreien, um sich zu verständigen. Statt das Baby einfach nur schreien zu lassen, was meiner Meinung nach nicht natürlich ist, sollte man als Elternteil für das Kind da sein, die eigene Liebe spüren lassen und es in den Schlaf begleiten. Wir Eltern sollten das Vertrauen haben, dass die Kinder in ihrem eigenen Tempo ihren individuellen Schlafrhythmus finden.

Gegenteil von Vertrauen ist Kontrolle

Viele Eltern fühlen sich aufgrund der neuen Lebensumstände, des Alltags und anderen Effekten aus der Umgebung oft überfordert. Uns Erwachsenen fällt es demnach auch meist sehr schwer die unterschiedlichen Reize zu verarbeiten. Das führt dazu, dass man mit den Kindern so wenig Probleme bzw. Unregelmäßigkeiten haben möchte, wie nur möglich. Dem Kind wird daher kein Vertrauen geschenkt, um beispielsweise auf Bäumen zu klettern. Es könnte ja herunterfallen und man müsste dann eventuell noch zum Arzt fahren. Die Erwachsenen kontrollieren dann das Kind, indem sie bestimmte Dinge verbieten.

Diese Kontrolle gegenüber den Kindern führt jedoch dazu, dass das eigene Kind Ängste vor Neuem und Unbekanntem entwickelt. Es wird dann weitestgehend keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen können und immer seine Eltern um Rat fragen. Die Folge ist oft ein geringes Selbstbewusstsein, dass meist erst im Erwachsenenalter bzw. manchmal auch gar nicht therapiert wird. Führt man ein Leben ohne Selbstbewusstsein, wird das Leben in der Regel von anderen Menschen bzw. Dingen bestimmt. Sei es der Partner, der Chef oder die Medien. Gerade im aktuellen Zeitalter der Digitalisierung und dem ständigen Wandel innerhalb der Gesellschaft, ist diese Lebensart nicht förderlich.

Kinder leben lassen

Als Eltern sollten wir daher unseren Kindern den Freiraum geben und ihnen das Vertrauen schenken, selbst die Dinge auszutesten. Meine Frau und ich versuchen dieses Vertrauen unseren Kindern so oft wie möglich zu geben. Wenn wir zum Beispiel in der Natur sind, dann können unsere Kinder fast alles selbst erfahren, ob es nun auf Bäume klettern ist oder sich auch manchmal auf der Erde zu wälzen. Anfangs standen wir auch oft da und haben uns die Hände vor das Gesicht gehalten. Heute lächeln wir nur noch, genießen den Moment und erfreuen uns an den strahlenden Augen unserer Kinder.

Ich bin der Ansicht, dass es am Besten für die Kinder ist, sie einfach leben zu lassen. Sie sollen ihre eigenen Erfahrungen in ihrem individuellem Tempo machen. Als Vater und Mutter sollten wir sie auf ihrem Weg begleiten und die kostbaren Momente verinnerlichen. Die Kinder werden es uns danken, indem sie zu selbstbewussten, freien und entscheidungsfreudigen Menschen heranwachsen.