Von der Natur lernen

Vor ein paar Tagen war ich mit meinen Kindern und meiner Frau in einem naheliegenden Wald spazieren und wir erfreuten uns am Wechsel der Jahreszeiten. In einer ruhigen Minute setzte ich mich auf eine Bank und schaute in den Wald hinein. Da fiel mir auf, wie einzigartig und individuell jeder Baum und jede Pflanze ist. Es gibt keinen Baum, der einem anderen ähnelt. Oft sind Gemeinsamkeiten zu erkennen. Aber auf eine andere Art und Weise, wie beispielsweise die andersartigen Krümmungen der Äste oder die Farben der Blätter, unterscheidet sich jede Pflanze von der Anderen.

Mir wurde bewusst, dass die Bäume und Pflanzen nichts anderes darstellen, wie wir Menschen. Im Grunde sind wir auch mit der Natur verbunden. Diese Verbundenheit scheint bei vielen Menschen eher in den Hintergrund zu rücken. Wir sollten jedoch die Natur als unser Vorbild sehen, auch im Erkennen einer Vielfalt in unserem Leben.

Vielfalt in der Gesellschaft

Schaut man sich in der U-Bahn oder auch im Park die anderen Menschen an, erkennt man, dass jeder Mensch auf seine Art einzigartig ist. Dabei sieht man nur die äußerlichen Erkennungsmerkmale, die ihm von den anderen Menschen unterscheidet. Die inneren Charakterzüge und Eigenschaften sind meist gar nicht so schnell ersichtlich. Diese unterscheiden sich oftmals noch deutlicher von denen anderer Personen.

Trotz oder eventuell aufgrund der Vielfalt in unserer Gesellschaft, werden die Menschen in Gruppen und Schubladen eingeordnet. Dafür sorgt die Erziehung. Es beginnt im Kleinen bereits im Kindergarten. Die Grundlagen für die eigentliche Gleichstellung und Anpassung der Menschen in unserer Gesellschaft wird dann in der Schulzeit gegeben. Es gibt ein Bildungsprogramm, dass die Kinder durchleben müssen. Die Betonung liegt insbesondere hier in Deutschland auf „müssen“, aufgrund der Schulpflicht.

Wie unser derzeitiges Schulsystem funktioniert kann am Besten an der Motivation der Kinder abgelesen werden. Jeder kennt doch das Phänomen. Die Kinder freuen sich die gesamte Kindergartenzeit darauf, endlich eingeschult zu werden und ein Schulkind zu sein. Sie freuen sich auf das viele Wissen, dass sie nun erlernen können. Doch nach nur wenigen Monaten, oft auch schon Wochen, sieht es im Innern der Kinder bereits ganz anders aus. Sie haben keine Lust mehr auf Schule und wenn man genau hinhört, dann liegt die eigentlich Antwort auf die Frage „Warum?“ klar vor einem. Die Kinder möchten gern lernen, aber nur die Dinge, die sie aktuell interessieren. Da dies aufgrund des vorherrschenden Bildungsprogramms nicht möglich ist, wird den Kindern nur Wissen vermittelt, welches sie derzeit gar nicht erlernen möchten. Jeder weiß, dass so kein nachhaltiges Lernen stattfinden kann.

Was passiert mit Kindern, die „anders“ sind?

Was in diesem gesamten Bildungsprogramm jedoch vergessen wurde, ist die Individualität jedes einzelnen Kindes. Jedes Kind ist einzigartig. Jedes Kind hat seine bestimmten Vorlieben und auch Dinge, die es nicht so gern mag. Das ist natürlich und menschlich. Und doch wird versucht, diese Einzigartigkeit durch auferlegten Lernzwang in der Schule zu unterbinden. Das ist in hohem Maße kontraproduktiv.

Daher gibt es auch immer wieder Kinder, die nicht in die aktuelle schulische Ausbildung hineinpassen. Sie sind einfach nicht so leicht form- und anpassbar. Und das ist auch gut so. Genau wegen diesen Charakterzügen haben sie Stärken, die andere Kinder eben nicht haben. Diese Kinder werden durch die Maßnahme der Notengebung ganz genau herausgefiltert. Denn Noten sorgen dafür, dass die Kinder auf Grundlage eines bestimmten Sachverhaltes (z.B. Mathe oder Deutsch) vergleichbar werden. Sofern ein Kind nun schlechte Noten hat, wird es direkt in eine Schublade eingeordnet. Maßnahmen um diesen Umstand zu lösen, gibt es meist nicht. Selbst Nachhilfeunterricht stellt für mich keine angemessene Maßnahme dar, da dies wieder nur zu einem Zwang gegenüber dem Kind führt.

Doch was passiert mit den Kindern, die augenscheinlich nicht in die Gesellschaft passen und in die Schublade der „andersartigen Kinder“ gesteckt wurden? Es gibt zahlreiche Beispiele von solchen Personen aus der Vergangenheit aber auch der Gegenwart, die ein erfolgreiches Leben aufgebaut haben. Dazu gehören unter anderem: Abraham Lincoln, George Washington, Albert Einstein, Bill Gates, Steve Jobs, Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook), Ray Kroc (Gründer von McDonalds), Henry Ford oder Peter Jackson (Filmdirektor, u.a. von Herr der Ringe). Die Vielzahl der Personen soll nicht den Anschein erwecken, dass sämtliche „andersartigen Kinder“ erfolgreich wurden. Aber sie zeigt, dass auch diese Kinder eine Zukunft haben.

Was geschieht mit unseren Kindern?

In meinem letzten Beitrag über das Konzept einer Freien Schule habe ich bereits eine Möglichkeit dargestellt, wie in Deutschland die schulische Ausbildung auch gestaltet werden könnte. Da es für meine Frau und mich klar ist, dass unsere Kinder nicht auf konventionelle Regelschulen gehen werden, ist dieses Thema sehr aktuell für uns. Zumal mein Sohn im nächsten Monat bereits 5 Jahre alt wird.

Wir möchten nicht, dass unsere Kinder in Schubladen eingeordnet werden. Dafür sind sie zu einzigartig. Diese Individualität wollen wir daher so gut wie möglich erhalten. Sie sollen wild und frei ihre Umgebung kennenlernen und ihre eigenen Erfahrungen machen und nicht die Erlebnisse anderer auferlegt bekommen. Wir sind der Meinung, dass durch diese Erziehung die Kreativität der Kinder gefördert wird und diese so zu glücklichen Menschen heranwachsen sowie die Klarheit haben, ihre Entscheidungen nicht vom Kopf sondern vom Herzen heraus zu treffen.